Deutsche Industriegeschichte seit 1906

Die zunehmende Elektrifizierung Ende des 19. und des frühen 20. Jahrhundert, vor allem im Bereich der elektrischen Beleuchtungstechnik, ebnete neuen Industriezweigen ihren Weg. Zwei fränkische Unternehmer, Siegfried Guggenheimer und Paul Gossen, gehörten zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu den Pionieren der Messtechnik und waren mit ihren Unternehmen Metrawatt AG und der Paul Gossen GmbH erst Mitwettbewerber, ehe es einen Zusammenschluss beider Unternehmen 1993 zur Gossen Metrawatt GmbH gab. Vorausgegangen waren die Zukäufe der Röchling-Gruppe, die erst 1989 die Gossen GmbH und dann 1992 die ABB Metrawatt GmbH übernahm.

METRAWATT

1906 gründete Dr. Siegfried Guggenheimer unter seinem Namen eine Firma zur Herstellung und Verkauf elektronischer Messgeräte. Bereits nach wenigen Jahren zählte die Firma dank zahlreicher Neuerungen weit über Deutschland hinaus als innovatives Unternehmen und genoss hohes Ansehen. 1921 wurde die Firma während der Wirtschaftskrise in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 1925 schied Guggenheimer aus dem Vorstand aus und übernahm Teile seines Unternehmens als Noris Tachometerwerke GmbH. Nach und nach erholte sich das Unternehmen von der Wirtschaftskrise und profitierte dabei von der 1932 begonnen Entwicklung photoelektrischer Belichtungsmesser. 1933 musste die Firma wie viele andere Firmen ihren Namen ablegen und firmierte neu als Metrawatt AG.

1000 Mitarbeiter als Meilenstein

Nach dem zweiten Weltkrieg entwickelte sich das Nürnberger Unternehmen weiter positiv und hatte zum fünfzigjährigen Jubiläum 1.000 Mitarbeiter. Zudem machte sich das Unternehmen mit vielen Produktneuheiten erneut einen Namen und entwickelte 1948 den ersten universellen Belichtungsmesser, der auf einen großen Teil der deutschen Kameratypen gesteckt werden konnte. 1960 wurde die Produktionskapazität mit einem Werk in Furth in Wald weiter ausgebaut. 1968 wurde die Metrawatt AG  vom schweizerischen Elektrokonzern BBC übernommen und firmierte als BBC Metrawatt GmbH. Nach der Fusion im Jahr 1988 der Firmen ASEA und BBC zur ABB-Firmengruppe änderte sich der Name der Firma erneut zur ABB Metrawatt GmbH. 1991 erwirtschaftete das Unternehmen mit 550 Mitarbeitern einen Umsatz von 110 Millionen DM und wurde 1992 von der Röchling-Gruppe übernommen.

GOSSEN

Bereits von 1908 bis 1916 arbeitete Paul Gossen in der Fabrik von Dr. Siegfried Guggenheimer in Nürnberg, ehe er 1919 zusammen mit einem Partner die Paul Gossen Co KG als Fabrik für elektrische Messgeräte in Baiersdorf gründete. Schnell erfolgte der Umzug nach Erlangen, auch weil die Firma mittlerweile von drei auf 35 Mitarbeiter gewachsen war. Das Unternehmen überstand die Währungskrise und stellte 1926 das Multi-Ampere-Volt-Meter MAVOMETER vor, das an den Bedarf der Radioindustrie ausgerichtet war. Über 30 Jahre war die Produktserie ein wichtiges Standbein der Firma. Erst 1932 begann Paul Gossen mit der Entwicklung der ersten Belichtungsmesser, mit denen sich das Unternehmen in der Folge einen großen Namen machte. 1940 erfolgte die Umwandlung in die Paul Gossen & Co GmbH, die 1943 in das Fabrikgelände an der Nägelsbachstraße zog. Während des gesamten zweiten Weltkriegs musste Gossen – wie viele andere deutsche Unternehmen – Messinstrumente für die deutsche Wehrmacht produzieren. Als 1942 Gründer Paul Gossen verstarb blieb die Firma in Familienbesitz. Ehefrau Rosa, die vorher schon als Mitgesellschafterin fungierte, und die Kinder Charlotte Klarner (Charlotte Gossen), Elisabeth Seiler (Elisabeth Gossen) und Hans Gossen übernahmen die Geschäftsleitung. Mehr als 1.000 Mitarbeiter hatte das Unternehmen in dieser Zeit und entwickelte unter anderem den weltbekannten Sixtomat Belichtungsmesser von dem in 25 Jahren insgesamt mehr als 2.500.000 Stück produziert wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg produzierte das Unternehmen zu Beginn mit 80 Mitarbeitern nur für die amerikanischen Streitkräfte Messgeräte, durfte aber schnell wieder regulär produzieren.

Von der Schreibmaschine zu Messgeräten

Bereits 1948 umfasste die Belegschaft wieder 900 Mitarbeiter, davon 300 Flüchtlinge. Ein Grund für den Mitarbeiteranstieg war auch die erfolgreiche Markteinführung der Kleinschreibmaschine Tippa, von der bis 1956 etwa 100.000 Stück produziert wurden. Alle acht Minuten verließ zu dieser Zeit eine neue Schreibmaschine die Produktionshallen. 1956 erwarben die Nürnberger Adler-Werke (später Triumpf-Adler) die Herstellungsrechte, weil sich die Sparte der Messgeräte so gut entwickelte und Gossen die Produktionskapazitäten für diese Sparten benötigte. Die Firma expandierte immer weiter, so dass 1959 ein weiteres Werk in Eschenbach/Oberpfalz gegründet wurde. Bis Ende der 1950er Jahre stieg die Mitarbeiterzahl auf über 2.000 an. 1963 gingen die Gesellschaftsanteile zu 30% an die Siemens & Halske AG (später Siemens AG) und zu 70% an die Bergmann EW AG, die 1965 alle Gesellschaftsanteile übernahm. 1969 wurde das Unternehmen in die Gossen GmbH umgewandelt und im Jahr 1989 von der Röchling-Gruppe übernommen. 1991 hatte die Gossen GmbH einen Umsatz von 116 Millionen DM bei 900 Mitarbeitern.

Camille Bauer

Bereits im Jahr 1900 wurde Camille Bauer als Handelshaus für Elektrogewerbe in Basel gegründet und beteiligte sich an mehreren Schweizer Unternehmen. Darunter auch im Jahr 1946 an der Matter, Patocchi & Co. AG, die 1944 von Ulrich Matter in Wohlen gegründet wurde. Das Unternehmen beschäftigte sich mit der Herstellung von elektrischen und thermischen Messgeräten. Ein Einbauanzeiger für elektrische Größen und ein tragbares Millivoltmeter gehörten zu den ersten Produkten. Grund des Zukaufs war, dass das Handelshaus nach dem Zweiten Weltkrieg keine Produkte mehr aus Deutschland kaufen konnte. Mit der Aktienmehrheit des Unternehmens war Camille Bauer danach für den Alleinverkauf der Produkte zuständig und wurde vom Handelsvertreter zum Produzenten messtechnischer Produkte. Zuvor war das Handelshaus die Exklusivvertretung für die Produkte der Firma Hartmann & Braun, die von 1956 bis 1973 auch Minderheitsgesellschafter des Schweizer Unternehmens war. 1954 erfolgte die Namensänderung zur Camille Bauer Messinstrumente AG. Erst 1977 wurden erste Tochtergesellschaften in Frankreich und Italien gegründet. 1980 übernahm die Mannheimer Röchling Gruppe den Messtechnikspezialisten und führte die Firma als Camille Bauer AG bis 1992 als eigenständige Einheit. Es folgen weitere Tochtergesellschaften im europäischen Ausland. Seit 1992 gehört die Aktiengesellschaft, die zu dieser Zeit rund 63 Millionen Schweizer Franken Umsatz mit 470 Mitarbeitern machte, zur Gossen Metrawatt Gruppe.

Gossen Metrawatt

1993 kam es zum Zusammenschluss der beiden zur Röchling-Gruppe gehörigen Unternehmen Gossen und Metrawatt zur Gossen Metrawatt GmbH, um einen europäischen Marktführer zu schaffen. Zusammen mit der Camille Bauer AG bildete Gossen Metrawatt eine operative Einheit und verlegte den Firmensitz an den bisherigen Standort der Metrawatt in Nürnberg. Eigentlich sollte der neue Firmensitz im Erlanger Stadtteil Tennenlohe liegen, doch es konnte sich nicht mit der Stadt Erlangen auf die nötigen Grundstücke geeinigt werden, so dass die Gossen Metrawatt GmbH nach Nürnberg an den bisherigen Stammsitz der Metrawatt AG umzog.

Gossen Foto- und Lichtmesstechnik

1997 wurde der Geschäftsbereich „Foto- und Lichtmesstechnik“ aus der Gossen-Metrawatt GmbH ausgegliedert und als eigenständige Einheit etabliert. In dem neu gegründeten Unternehmen wurde die lange Firmentradition im Bereich Belichtungsmesser, in dem die beiden Vorgängerfirmen in den 50er und 60er Jahren Maßstäbe gesetzt hatten, fortgesetzt. Sixon, Sixtomat und Lunasix von Gossen waren einige dieser Neuentwicklungen, so wie der von Metrawatt seit 1959 hergestellte Leicameter, der auf die Bedürfnisse der Leica-M-Modelle zugeschnitten war.

GMC Instruments

Die GMC-Instruments Gruppe, deren operative Holding, die GMC-Instruments GmbH ist, ist einer der weltweiten Marktführer in der Entwicklung und Herstellung von Mess- und Prüfgeräten. In Deutschland ist die Firmengruppe mit der Gossen Metrawatt GmbH, MTP Messtechnik Produktions GmbH, GMC-I Service GmbH und der Gossen Foto- und Lichtmesstechnik GmbH in Nürnberg aktiv. Die Camille Bauer Metrawatt AG in der Schweiz, GMC-I ProSys Ltd und Seaward Electronic Ltd in UK sowie Dranetz Technologies Inc. und Electrotek Concepts Inc. in den USA komplettieren den Firmenverbund, zu dem auch zahlreiche Landesgesellschaften gehören.

GMC-Instruments bietet das komplette Portfolio an Produkten, Lösungen und Dienstleistungen für das Elektrohandwerk, die Industrie, Telekommunikation  und den Medizinbereich an. 2023 hat Klar Partners die GMC Instruments Gruppe als Wachstumspartner übernommen, um ein füh­ren­des eu­ro­päi­sches Un­ter­neh­men für Test- und Mess­tech­nik auf­zu­bau­en.